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Zweites Plädoyer für mehr Mut

Mafo II:
Wen fragen? Sich selbst!

Das Risiko der "Putzfrauentests". Auch nicht besser: Die Idee, Kunden, die eigene Familie oder Mitarbeiter zu befragen - gar mir ihnen zu diskutieren ...


Marktforschung

Abb: Alles Anna

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"Ich frag mal eben meine Leute ..." - ein riskantes Vorhaben. Denn in den Antworten wird sich der gesamte Kontext der Beziehung zu Ihnen, dem Fragenden spiegeln. Sei es Respekt, Kritik, Profilierungswunsch, Konkurrenzdenken, Dankbarkeit, was auch immer ... aber nie frei von irgend etwas, das die Antwort färbt.

Allein die nicht selten gebrauchte Idee und Begrifflichkeit "Putzfrauen-Test" charakterisiert das Verhältnis überdeutlich: Es gibt ein Oben und ein Unten. Um dann noch Ihnen gegenüber tatsächlich ehrlich zu sein, müsste die/der Befragte vollkommen ehrlich zu sich selbst sein. Darum ist es oft wahrheitsnäher, sich unter dem Schreibtisch zu verstecken und zuzuschauen, auf welches Plakat an der Wand die "Putzfrau" zuerst schaut.


Wenn Sie hingegen Ihre Meinung bestätigt sehen möchten, dann fragen Sie. Kunden, die eigene Familie oder am besten Ihre Mitarbeiter. Möglichst viele davon. Damit Sie möglichst viel Bestätigung ("Meinungen") erhalten. Recht.


Sie können sicher sein: Ihre Familie wird nie mit Ihnen ernsthaft über die Größe des Logos auf Ihrer Werbeanzeige diskutieren. Sie verfolgt das ihr wesentlich höhere Ziel familiären Friedens. Auch Ihre Mitarbeiter werden nicht streiten. Abhängige taugen nicht für unabhängige Meinungen. Und Ihren Kunden ist es eher gleichgültig. Sie sagen gerne "schön", weil sie ohnehin die Macht in Händen halten. Falls Ihnen aber dennoch jemand widerspricht und Sie sogar umstimmen konnte, dann hatten Sie bereits die Bereitschaft dazu. Sonst hätten Sie kein Motiv gehabt, zu fragen - und dem anderen kein ausreichend starkes Signal gesetzt, dass Sie unsicher sind.

So ist das auch mit der Marktforschung: Allein die Bereitschaft zur Frage induziert im Befragten das Gefühl der Unsicherheit. Der Effekt: Beide sind nun destabilisiert (darum kommt oft eine Gegenfrage). Wie soll dann aber ausgerechnet der so Verunsicherte Ihnen Entscheidungs-Sicherheit geben?

Niemand ist bereit, Ihnen Ihr Risiko abzunehmen. So fokussiert sich die Diskussion über z. B. eine neue Kampagnen-Idee gern auf die risikoloseren Details, statt auf das Ganze: der programmatischen Funktionalität. Für den einen ist das Logo zu klein, dem anderen erscheint es zu groß, der dritte fragt sich, ob überhaupt ein Logo drauf muss und der vierte sieht alles ganz anders. Der persönliche Geschmack bekommt dann seine Chance ...

Aber davon hängt (handwerkliche Qualität vorausgesetzt) der Werbeerfolg nicht ab. Sondern von der Überzeugung und dem Mut, mit dem ein "Risiko" gesucht, bewusst eingegangen und anderen gegenüber vertreten wird.

Allein diese Unbereitschaft zum Infrage-Stellen kann anderen ein starkes Gefühl der Sicherheit geben. Darin sind autokratische Entscheider den basisdemokratischen überlegen: Letztere haben nie Gewissheit.


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PRAXISBEISPIEL:


Bevor ein mittelständisches Unternehmen (Marktführer Spezialsoftware) auf uns zukam, führte es eine Kundenbefragung durch. Schriftlich per Fragebogen, damit es ein möglichst breites, sprich "repräsentatives" Bild erhalten würde. Es verschickte über 1.500 Bögen.

326 haben geantwortet. Dies hielt man für ausreichend repräsentativ, denn der Rücklauf betrug ja fast 24 %. Aber wer waren diese 356? Diejenigen, die ein Motiv hatten. Die, die etwas mitteilen wollten. Deren emotionale Ladungen so hoch waren, dass sie sich die Mühe machten, zu antworten. Die Auswertung ergab, dass 36 % Kritik übten. Ein Fiasko: jeder Dritte! Das Unternehmen war enttäuscht über dieses schier vernichtende Urteil.

Die anderen 1.174 Personen (den Erhalt des Fragebogens vorausgesetzt), hatten kein solches Motiv. Diese 75 Prozent antworteten erst gar nicht. Warum auch. Ihr Motiv war (neben eben keines zu haben: z.B. Zeit, Lust, usw.) vielleicht ein ganz anderes: den Marktführer nicht noch dafür besonders loben zu wollen.

Nach der Grundregel der Rechtsanwälte fragt man vor Gericht nur das, worauf sie die Antworten bereits längst kennen.

Nicht, um neue Erkenntnisse zu gewinnen, sondern um den Befragten sich selbst einen Sachverhalt vergegenwärtigen und bestätigen zu lassen. Führt ein Unternehmen z. B. eine Kundenbefragung zur Zufriedenheit durch, dann nicht, um Kritik zu provozieren, sondern um die Kunden zu animieren, sich selbst ihre Zufriedenheit zu verdeutlichen.

Eine Befragung zu Problemen jedoch kann ein neues schaffen: Das Problem ist bekannt (sonst könnte man nicht danach fragen) und es sollte gelöst werden! Bevor der Kunde es sich vergegenwärtigt. Das wäre das Problem!

 




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